Nationale Gesellschaft
Allgemeines
Eine Nationale Gesellschaft vom Roten Kreuz oder vom Roten Halbmond — theoretisch auch vom Roten Kristall1 — (auch: Nationale Hilfsgesellschaft, NHG) ist die eine Organisation, die das Rote Kreuz in einem Staat2 darstellt.
Nach dem Grundsatz der Einheit kann es nur eine solche Organisation in einem Staat geben. Das schließt nicht aus, dass sie funktionale oder regionale Teilgliederungen hat. Eine funktionale Teilgliederung in Deutschland sind die Schwesternschaften, regionale Teilgliederungen auf oberster Ebene sind die Landesverbände.
Was eine Nationale Gesellschaft ausmacht, wird durch internationale Regelungen des Roten Kreuzes selbst geregelt, zum Beispiel durch die Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Demzufolge ist sie immer ein humanitärer Auxiliar des Staates, in dem sie anerkannt ist, ohne dabei ihre Unabhängigkeit einzubüßen. Die Genfer Abkommen bestimmen nur die Rolle und Rechte einer Nationalen Gesellschaft im Konfliktfall.
Ende 2023 gab es 191 Nationale Gesellschaften. Fünf anerkannte Staaten haben keine Nationale Gesellschaft: Nauru, Nicaragua (Auflösung in 20233) , Niue, Oman, Vatikan. Damit ist der Grundsatz der Universalität hinsichtlich Verbreitung weitgehend umgesetzt. Darüber hinaus gibt es einige autonome Regionen, die jedoch im Gebiet einer Nationalen Gesellschaft liegen.
Minimalanforderungen an eine Nationale Gesellschaft
Die in den Statuten festgelegten Anerkennungsbedingungen für eine Nationale Gesellschaft definieren die Minimalanforderungen an sie:4
- Sie befindet auf dem Gebiet eines Staates, der die Genfer Abkommen anerkannt hat, und sie deckt mit ihren Aktivitäten das ganze Gebiet ab. Das Gebiet des Deutschen Roten Kreuzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, und das DRK ist für das gesamte Gebiet zuständig.
- Sie ist die einzige Nationale Gesellschaft in diesem Staat, und sie ist als solche vom Staat anerkannt.4.1 Die staatliche Anerkennung kann durch einen Beschluss der Regierung oder durch ein Gesetz geschehen. In Deutschland gab es früher Beschlüsse der jeweiligen Regierungen für Westdeutschland (1965) und Ostdeutschland (1952) sowie einen neuen Beschluss nach der Wiedervereinigung (1991). Das wurde dann durch die gesetzliche Anerkennung im DRK-Gesetz (2008) ersetzt.
- Sie muss die Grundsätze beachten, und sie muss soweit eigenständig sein, dass sie ihre Tätigkeit in Überstimmung mit den Grundsätzen ausüben kann. Zum Beispiel das BRK ist zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber die Bayerische Staatsregierung darf sich gemäß BRK-Gesetz nicht so in die Anlegenheiten einmischen, dass die Grundsätze eingeschränkt wären.
- Ungeachtet ihrer inneren Organisation, die sie selbst festlegen kann, hat sie eine zentrale Leitung, durch die sie mit der Bewegung zusammenarbeitet. Die internationale Zusammenarbeit in der Bewegung ist Pflicht, ebenso wie die Anerkennung der Statuten. Außerdem muss sie so organisiert sein, dass sie ihre Aufgaben im Friedenszeiten und Konfliktfall effektiv ausüben kann.
- Ihr Name und das vom Staat verwendete Schutzzeichen, das sich in ihrem Kennzeichen wiederfindet, finden sich in den Genfer Abkommen. Das DRK führt im Namen den Begriff Rotes Kreuz, das gleichnamige Zeichen findet sich in allen seinen Logos, und dieses Zeichen ist das erste und ursprüngliche Wahrzeichen.
- Bei der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeit wird nicht nach Rasse, Geschlecht, sozialer Stellung, Religion oder politischer Überzeugung diskriminiert. Das drückt auch der Grundsatz der Unparteilichkeit aus.
Nationale Gesellschaft in Deutschland
Heutige Situation
Der Bundesverband des Deutschen Roten Kreuzes ist die Nationale Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Festgelegt ist das im DRK-Gesetz. Frühere Anerkennungen waren durch Verwaltungsakte der Bundesregierung erfolgt:
- 26. Februar 1951, nach Gründung des Bundesverbands (DRK e.V.) am 4. Februar 1950;
- 27. September 1956, nach Gründung der Bundeswehr in 1955;
- 6. März 1991, nach der Aufnahme der aus dem DRK der DDR heraus gegründeten neuen Landesverbände in den Bundesverband am 1. Januar 1991.
Die Bestätigung durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) für das nach der Wiedervereinigung vergrößerte, gesamtdeutsche DRK erfolgte am 1. Mai 1991. Zuvor war das DRK der BRD am 25. Juni 1952 und das am 31. Dezember 1990 aufgelöste DRK der DDR am 9. November 1954 vom IKRK anerkannt worden.
Die Landesverbände und der Verband der Schwesternschaften sowie alle diesen nachgeordnete Gliederungen (z.B. Kreisverbände, Schwesternschaften, Ortsvereine) gehören zur Nationalen Gesellschaft in Deutschland, aber sie sind nicht die Nationale Gesellschaft.
Historische Betrachtung
Mehrere deutsche Staaten waren Vertragsstaaten der Genfer Abkommen — Baden, Preußen, Württemberg, Hessen, Sachsen und Mecklenburg-Schwerin —, weshalb ihre Landesvereine vom Roten Kreuz und deren Vorläufer Nationale Gesellschaften im Sinne dieses Abkommens waren. Ihre Gründung ging gerade auf das erste Genfer Abkommen zurück.
Rotkreuz-Organisationen in weiteren deutschen Ländern entstanden vor allem im Rahmen der drei Deutschen Einigungskriege (1864–1871). Diese Länder waren keine Vertragsstaaten, so dass die Organisationen keine Nationalen Gesellschaften sein konnten. Sie hatten jedoch die Rolle einer Nationalen Gesellschaft, weil sie deren Ursprungsaufgabe, die Unterstützung des militärischen Sanitätsdienstes, wahrnahmen.
→ Landesverein
Rechtliche Grundlagen
Die ersten Regeln zu den Nationalen Gesellschaften sind in den Beschlüssen und Wünschen der Internationalen Konferenz in Genf vom 26. bis 29. Oktober 1863 enthalten. Dort ist durch die Übernahme aus dem französischen Original von Komitees bzw. Comités die Rede. Daher hießen die ersten Rotkreuz-Organisationen in den deutschen Staaten entsprechend, zum Beispiel das Central-Comité des Preußischen Vereins zur Pflege im Felder verwundeter und erkrankter Krieger.
Die heute maßgebliche externe Rechtsgrundlage sind auf Internationaler Ebene die Genfer Abkommen in ihrer aktuellen Fassung und auf nationaler Ebene, für Deutschland, das DRK-Gesetz. Die interne Rechtsgrundlage sind die Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.
Weitere Informationen
Websites
- Christophe Lanord, "The legal status of National Red Cross and Red Crescent Societies", in: International Review of the Red Cross, No. 840, 31. Dezember 2000.
- IFRC.org, National Societies directory
- Wikidata.org, Nationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaft
Enzyklopädie
- Artikel Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung
- Artikel Beschlüsse und Wünsche
- Artikel Auxiliar
- Artikel Deutschland und Bundesverband
Einzelnachweise und Erläuterungen
- ↑ Nationale Gesellschaften, die den Roten Kristall in ihrem Kennzeichen und in ihrem Namen führen, gibt es aktuell (2023) nicht. → Deutscher Roter Kristall
- ↑ Ein Sonderfall ist Palästina, für das im Zusammenhang mit der Einführung des Roten Kristalls eine Sonderregelung geschaffen wurde, so dass es eine anerkannte Nationale Gesellschaft ohne anerkannten Staat geben kann.
- ↑ IFRC.org, Update on the Nicaraguan Red Cross, 12. Mai 2023.
- ↑ Deutsches Rotes Kreuz (Hrsg.), Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, Berlin 2007 (Englisch: Statutes of the International Red Cross and Red Crescent Movement, Genf 2006), Artikel 4.