Präsident

Nachschlagewerk über das Deutsche Rote Kreuz und die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung

Allgemeines

Ein Präsident im Deut­schen Roten Kreuz ist der Vorsitzende eines Präsidiums, insbesondere des Präsidiums des Bundesverbands (und seiner Vorgängerorganisationen), eines Landes­verbands oder des Verbands der Schwesternschaften (VdS). Die Funktion kann es darüber hinaus auch in Kreis­verbänden und seltener in Orts­vereinen geben. Die Rolle eines Präsidenten ist in der Satzung der betreffenden Gliederung definiert. Dabei spielt das gewählte Governance-Modell eine entscheidende Rolle.

Im Deut­schen Roten Kreuz wurden durch die Strategie 2010plus drei mögliche Modelle geschaffen, aus denen das höchste Organ jeder Gliederung eines auswählt und in der Satzung festlegt:

  • Ehrenamtlicher Vorstand mit einem angestellten Geschäftsführer,
  • hauptamtlicher Vorstand und ehrenamtliches Präsidium,
  • gemischter Vorstand mit Geschäftsführer als Vorstandsmitglied.

Beim ersten und letzteren Modell kann der Vorstand auch als Präsidium bezeichnet werden. Wenn es das Amt des Präsidenten mit diesem Namen gibt, dann hängt seine Rolle vom Modell ab und dessen satzungsmäßiger Ausgestaltung ab. Ist er Teil des Vorstands, dann sind seine Aufgaben tendenziell mehr operativ, während er als Vorsitzender des Präsidiums mehr eine Aufsichts- und Repräsentationsfunktion hat.

Dieser Artikel stellt die aktuelle Funktion Präsident dar. Die historischen Rollen der Präsidenten in den Phasen 1921–1945 (DRK in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und kurz danach), 1952–1990 im DRK der DDR und 1950–2009 im westdeutschen und gesamtdeutschen DRK vor der Satzungsreform werden hier nicht weiter erläutert.

Bundesverband

Vorstandsmodell

Der Bundesverband hat seit 2009 einen hauptamtlichen Vorstand, der aus dem Generalsekretär und ggf. einem weiteren Vorstandsmitglied besteht. Aufsicht über den Vorstand führt das Präsidium, das auch weitere Aufgaben hat. Darüber hinaus gibt es den Präsidialrat als institutionalisierte Vertretung der Landes­verbände und damit starkes föderales Element in der Führungsstruktur des Bundesverbands.

Bundesversammlung

Der Präsident des Bundes­verbands gehört stimmberechtigt der Bundesversammlung an1, während die anderen Angehörigen der Präsidiums dort nur mit beratender Stimme vertreten sind1.1. Er ruft die Bundesversammlung ein1.2 und leitet durch die Sitzungen. Die Bundesversammlung wählt ihn zusammen mit den anderen Mitgliedern des Präsidiums1.3, sofern sie keine geborenen Mitglieder sind, für die Amtszeit von vier Jahren, wobei eine Wiederwahl beliebig oft möglich ist1.4. Für das Amt des Bundeskonventionsbeauftragten, einem Mitglied des Präsidiums, liegt das Vorschlagrecht beim Präsidenten. Der Bundesbeauftragte für den Katastrophenschutz wird ohne weitere Bestätigung durch ihn bestellt1.5, er gehört jedoch nicht dem Präsidium an.

Präsidium

Der Präsident ist Vorsitzender des Präsidiums, das ehren­amtlich tätig ist1.6, und leitet ihre Sitzungen1.7. Wenn eine Abstimmung im Präsidium unentschieden ist (Stimmengleichheit), dann entscheidet der Präsident über den strittigen Sachverhalt.1.8 Der Präsident kann neben dem Generalsekretär oder einem anderen hauptamtlichen Vorstandsmitglied auch Mitglieder des Präsidiums vorläufig des Amts entheben; die endgültige Entscheidung treffen das Präsidium und der Präsidialrat binnen acht Wochen.1.9 Er kann derweil eine Person seiner Wahl als kommissarisch mit der Wahrnehmung des betrettenden Amts im Vorstand oder Präsidium beauftragen.

Präsidialrat

Der Präsident gehört nicht dem Präsidialrat an, nimmt aber an seinen Sitzungen teil.1.10 Er kann ihn in Ausnahmefällen einberufen1.11; normalerweise ist das die Aufgabe des Vorsitzenden des Präsidialrats1.12.

Eil- und Sofortmaßnahmen

Der Präsident hat bei Gefahr im Verzug ein Weisungsrecht gegenüber allen Glie­derun­gen des Deut­schen Roten Kreu­zes, unabhängig von deren Verbandstufe und Rechtsform.1.13 Seine Weisung ist solange gültig bis das Präsidium zusammengetreten ist und über den Sachverhalt beschließt.1.14

Wenn der Präsident zustimmt, dann kann der Vorstand bei Rechtsgeschäften des Bundes­verbands Sofortmaßnahmen treffen, die normalerweise der Zustimmung des Präsidiums oder Präsidialrats benötigten.1.15 Anders als die Eilmaßnahmen geht es hier ausschließlich um den Bundesverband selbst, nicht um eine seiner Untergliederungen.

Im Katastrophenfall kann der Präsident bei Gefahr im Verzug — regulär das Präsidium — entscheiden, dass der Bundesverband die Einsätze der Glie­derun­gen koordiniert oder durch seine Bundesvorhaltung selbst direkt hilft.1.16 Für den Fall einer Krise gibt es auch die Krisenmanagement-Vorschrift mit weiteren Möglichkeiten.

Internationales Komitee

Organ

Das Inter­nationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat sechs Organe. Sie sind die Säulen der inneren Organisation des IKRK und nicht mit den Statuarischen Organen der Rotkreuz- und Rothalb­mond-Be­we­gung zu verwechseln. Eines der sechs Organe ist die Präsidentschaft: la Présidence (frz.), Office of the President (engl.), la Presidencia (span.), o Gabinete do Presidente (port.). Sie besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und optional einem weiteren Vizepräsidenten.

Wahl

Der Präsident und seine Stellvertreter werden von der Generalversammlung des IKRK für die Dauer von vier Jahren gewählt. Es ist höchstens zwei Mal eine Wiederwahl möglich, so dass das Amt insgesamt höchstens zwölf Jahre lang ausgeübt werden kann.

Bisherige Amtsinhaber

Bundesverband und Vorgänger

Die Präsidenten des Bundes­verbands ab 1950 wurden von der Bundesversammlung gewählt. Während der deutschen Teilung bis 1990 sind das die Präsidenten des DRK der BRD (Westdeutschland), während das DRK der DDR (1952–1990) eigene Präsidenten hatte (siehe unten).

Die Präsidenten des DRK in der Zeit seit der Neugründung nach dem Zweiten Welt­krieg (1939–1945) sind traditionell Politiker, daher ist jeweils zusätzlich genannt, welcher Partei sie angehören bzw. angehörten. Von dieser unbeschriebenen Regel war Knut Ipsen (1935–2022) die bisher einzige Ausnahme.

Nr. Zeitraum Präsident Partei
1 1921–1933 Joachim von Winterfeldt-Menkin (1865–1945) DKP
2 1933–1945 Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha (1884–1954)2; tatsächlich geschäftsführend von 1934 bis 1937: Paul Hocheisen (1870–1944, stellvertretender Präsident) Preußenbund, Stahlhelm, NSDAP
3 19371945 Ernst Robert Grawitz (1899–1945)3 NSDAP
4 19451945 Rudolf Nadolny (1873–1953) CDU-nah
- 1945–1950 Es existierte kein Dachverband des DRK.
5 1950–1952 Otto Geßler (1875–1955) DDP
6 1952–1961 Heinrich Weitz (1890–1962) DZP, CDU
7 1961–1967 Hans Ritter von Lex (1893–1970) BVP, CSU
8 1967–1982 Walter Bargatzky (1910–1998) CDU
9 1982–1994 Botho Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1927–2008) CDU
10 1994–2003 Knut Ipsen (1935–2022)
11 2003–2017 Rudolf Seiters (*1937) CDU
12 2017–20254 Gerda Hasselfeldt (*1950) CSU

Deutsches Rotes Kreuz

DRK der DDR (1952–1990)

Die Präsidenten des DRK der DDR wurden vom Kongreß des DRK der DDR gewählt.

Nr. Zeitraum Präsident
1 1952–1981 Werner Ludwig (1914–2001)
2 1981–1986 Siegfried Akkermann (*1935)
3 1987–1989 Gerhard Rehwald (*1929)
4 1989–1990 Karl-Heinz Borgwadt (1934?–2020?)
5 1990–1990 Christoph Brückner (1929–2019)

Deutsches Rotes Kreuz der DDR

Internationales Komitee

Nr. Zeitraum Präsident(in)
1 1863–1864 Guillaume Henri Dufour (1787–1875)
2 1864–1910 Gustave Moynier (1826–1910)
3 1910–1928 Gustave Ador (1845–1928)
4 1928–1944 Max Huber (1874–1960)
5 1945–1948 Carl Jacob Burckhardt (1891–1974)
6 1948–1955 Paul Ruegger (1897–1988)
7 1955–1964 Léopold Boissier (1893–1968)
8 1964–1969 Samuel Gonard (1896–1975)
9 1969–1973 Marcel Naville (1919–2003)
10 1973–1976 Eric Martin (1900–1980)
11 1976–1987 Alexandre Hay (1919–1991)
12 1987–1999 Cornelio Sommaruga (1932–2024)
13 2000–2012 Jakob Kellenberger (*1944)
14 2012–2022 Peter Maurer (*1956)
15 seit 2022 Mirjana Spoljaric Egger (*1972)

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

Internationale Föderation

Nr. Zeitraum Präsident(in) Nationale Gesellschaft
1 1919–1922 Henry Pomeroy Davison (1867–1922) Amerikanisches Rotes Kreuz
2 1922–1935 John Barton Payne (1855–1935) Amerikanisches Rotes Kreuz
3 1935–1938 Cary Travers Grayson (1878–1938) Amerikanisches Rotes Kreuz
4 1938–1944 Norman Davis (1878–1944) Amerikanisches Rotes Kreuz
5 1944–1945 Johannes von Muralt (1877–1947) Schweizerisches Rotes Kreuz
6 1945–1950 Basil O'Connor (1892–1972) Amerikanisches Rotes Kreuz
7 1950–1959 Emil Sandström (1886–1962) Schwedisches Rotes Kreuz
8 1959–1965 John MacAulay (1895–1978) Kanadisches Rotes Kreuz
9 1965–1977 José Barroso Chávez (1925–2008) Mexikanisches Rotes Kreuz
10 1977–1981 Adetunji Adefarasin (1921–1989) Nigerianisches Rotes Kreuz
11 1981–1987 Enrique de la Mata Gorostizaga (1933–1987) Spanisches Rotes Kreuz
12 1987–1997 Mario Villarroel Lander (*1947) Venezolanisches Rotes Kreuz
13 1997–2001 Astrid N. Heiberg (1936–1920) Norwegisches Rotes Kreuz
14 2001–2009 Don Juan Manuel Suárez Del Toro Rivero (*1952) Spanisches Rotes Kreuz
15 2009–2017 Tadateru Konoé / 近衞 忠煇 (*1939) Japanisches Rotes Kreuz
16 2017–2023 Francesco Rocca (*1965) Italienisches Rotes Kreuz
17 seit 2023 Kathryn A. Forbes (Kate Forbes) Amerikanisches Rotes Kreuz

Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften

Weitere Informationen

Einzelnachweise

  1. Deutsches Rotes Kreuz, Satzung des Deutschen Roten Kreuzes e.V. vom 20.03.2009, Geändert durch Beschlussfassung der Ordentlichen Bundesversammlung am 28.11.2014 und der Außerordentlichen Bundesversammlung am 27.02.2015, Berlin 2015, § 10, Abs. 2, lit. c.
    1. § 10, Abs. 2, letzer Satz.
    2. § 10, Abs. 4 und 5.
    3. § 11, Abs. 2.
    4. § 12, Abs. 2.
    5. § 24.
    6. § 12, Abs. 1, letzter Satz.
    7. § 12, Abs. 4.
    8. § 12, Abs. 5, Satz 3.
    9. § 14, Abs. 7.
    10. § 15, Abs. 1, Satz 3.
    11. § 15, Abs. 4.
    12. § 15, Abs. 3, Satz 2.
    13. § 29, Abs. 1, Satz 1.
    14. § 29, Abs. 1, Satz 4.
    15. § 18, Abs. 6.
    16. § 5, Abs. 3.
  2. Ab 1937 war er durch Ernennung des Führers im Amt. → Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz (1937)
  3. Zunächst war Ernst-Robert Grawitz stellvertretender Präsident, dann wurde er 1937 parallel zum amtierenden Präsidenten der Geschäftsführende Präsident des damaligen Deut­schen Roten Kreu­zes.
  4. Auf der Bundesversammlung am 30. November 2024 kündigte Gerda Hasselfeldt an, dass ihre Amtszeit aus Altersgründen bei der Bundesversammlung im Herbst 2025 enden würde.