Krise
Allgemeines
Der Begriff der Krise wird für das Deutsche Rote Kreuz in der Krisenmanagement-Vorschrift definiert. Demzufolge ist das eine vom Normalzustand abweichende, sich plötzlich oder schleichend entwickelnde Lage, die durch ein Risikopotential gekennzeichnet ist, das Gefahren und Schäden für Leib und Leben von Menschen, bedeutende Sachwerte, schwerwiegende Gefährdungen des politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Systems in sich birgt und der Entscheidung – oftmals unter Unsicherheit und unvollständiger Information – bedarf.1 Die Krise ist der Oberbegriff, unter den auch die Katastrophe oder ein Konflikt fallen.
Das Eintreten eines Krisenfalls stellt der Präsident bzw. vergleichbare Funktionsträger der Gliederung einer Verbandstufe (Bundesverband, Landesverband, Kreisverband) fest. Das ist nicht der Kreisgeschäftsführer oder, wenn dieses Vorstandsmodell gewählt wurde, der hauptamtliche Vorstand. Anschließend wird ein Einsatzstab eingerichtet. Vor dem Eintritt einer Krise soll ein Planungsstab die Organisation auf mögliche Lagen vorbereiten, was jedoch häufig nicht geschieht.
Abgrenzung: Katastrophe und Konflikt
Eine Katastrophe tritt formal dann ein, wenn ein Bundesland oder eine dazu berechtigte Gebietskörperschaft den Katastrophenfall erklärt. Es handelt sich um eine politische Entscheidung, die die Behörden für Gefahrenabwehr (zum Beispiel Feuerwehr, Polizei, THW) und auch private Hilfsorganisationen (zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz) nicht treffen können. Eine Katastrophe kann faktisch eingetreten sein, ohne dass der Katastrophenfall erklärt wurde. Mit der Erklärung des Katastrophenfalls werden unter anderem Entscheidungsprozesse vereinfacht und Eingriffe der Grundrechte ermöglicht.
Ein Konflikt ist vor allem ein Krieg oder ein Bürgerkrieg. Ein Krieg wird rechtlich als Verteidigungsfall bezeichnet und muss vom Bundestag oder bei dessen Handlungsunfähigkeit vom Gemeinsamen Ausschuss des Bundestags und Bundesrats festgestellt werden. Im Konfliktfall gelten die Regeln des Humanitären Völkerrechts, und das DRK nimmt im Rahmen seiner Rolle als Nationale Hilfsgesellschaft definierte Aufgaben wahr.
Beispiel COVID-19-Pandemie
Die Definition einer Krise kann beispielhaft auf die COVID-19-Pandemie angewendet werden:
- Es handelt sich um eine eine vom Normalzustand abweichende [...] Lage, denn die Auswirkungen der Epidemie auf die Bevölkerung sind gravierender als bei den saisonalen Wellen der Influenza.
- Die Krise ist schleichend in Deutschland eingetreten, zunächst mit wenigen bestätigen Infektionen im Januar 2020 und langsam, schließlich aber sich schnell ausbreitend.
- Die Ausbreitung birgt das Risiko von Gefahren und Schäden für Leib und Leben von Menschen, weil es schwere Krankheitsverläufe gibt, die massenhaft auftreten und das Gesundheitssystem überlasten können.
- Sekundär drohen auch schwerwiegende Gefährdungen des [...] sozialen oder wirtschaftlichen Systems, weil die Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung mehrere Zweige der privaten Wirtschaft erheblich schädigen, und Hamsterkäufe zu einer vorübergehenden Verknappung von Lebensmitteln und Hygieneartikeln führen.
- Die Epidemie wird von Extremisten ausgenutzt, um das politische System zu destabilisieren.2 Bedeutender sind die vorübergehenden massiven Einschränkungen bürgerlicher Grundrechte, die die verfassungsgemäße, freiheitliche Rechtsordnung gefährden.3 Es gibt daher auch eine Gefährdung des politischen [...] Systems.
- Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das souveräne Bürgerengagement sind im Deutschen Roten Kreuz durch demokratische Teilnahme tief in den Satzungen und Ordnungen verwurzelt. Krisenzeiten verlocken zu einer realpolitischen, direktivistischen Kultur mit einer Abkehr von Partizipation und Compliance. Das DRK als Teil der Gesellschaft kann auch ein Teil des politischen Systems verstanden werden. Auch aus dem Inneren des DRK heraus ist eine Gefährdung des politischen Systems möglich. Das kann neben dem Übergehen der definierten inneren Strukturen auch zum Beispiel die Forderung nach einer Zwangsinternierung von infizierten Personen sein, die mit bürgerlichen Grundrechten direkt kollidiert.
- Die Situation bedarf für das DRK der Entscheidung, denn es auf Personalausfälle und den durch unsinnige Hortung entstandenen Mangel an Versorgungsgütern (zum Beispiel Desinfektionsmittel) reagieren, um seine Aufgaben weiter wahrnehmen zu können.
- Die Entscheidungen werden unter Unsicherheit und unvollständiger Information getroffen, weil zu früheren Zeitpunkten der weitere Verlauf der Epidemie nicht absehbar ist.
- Die Lage kann sich zu einer Katastrophe [...] ausweiten, auch wenn wie in der Flüchtlingskrise 2015/2016 die Behörden außerhalb Bayerns den Katastrophenfall nicht erklären.
Der Bundesverband und mehrere Landesverbände stellten im März 2020 eine Krise gemäß K-Vorschrift fest. Das Land Bayern erklärte am 16. März 2020 den Katastrophenfall.4
Weitere Informationen
- Artikel Krisenmanagement-Vorschrift und K-Vorschrift
- Artikel Planungsstab und Einsatzstab
- Artikel Krisenstab
- Artikel Katastrophenschutz
- Artikel Konflikt
Einzelnachweise
- ↑ Deutsches Rotes Kreuz, Krisenmanagement-Vorschrift des Deutschen Roten Kreuzes (K-Vorschrift), Berlin 2011, Abschnitt 1.3.
- ↑ Matthias Quent, Der ultimative Niedergangsbeschleuniger, in: DIE ZEIT, Hamburg, 15. März 2020.
- ↑ Udo Di Fabio, An den Grenzen der Verfassung, in: DIE ZEIT, Hamburg, 6. Apri 2020.
- ↑ Bayern.de, Corona-Pandemie / Bayern ruft den Katastrophenfall aus / Veranstaltungsverbote und Betriebsuntersagungen, 16. März 2020.