Landesstelle

Nachschlagewerk über das Deutsche Rote Kreuz und die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung

Allgemeines

Das Deut­sche Rote Kreuz in der Zeit des National­sozia­lis­mus (1933–1945) bestand von 1937 bis 1945/46. Nach der Machtgreifung in 1933 passte es sich selbst schnell an die neuen Machthaber und ihre Ideologie an, und es wurde sukzessive gleichgeschaltet, bis es durch das Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz (1937) mit der Auflösung der Landesvereine und aller anderen Gliederungen zu einer zentralistisch organisierten Quasi-Behörde wurde. An die Stelle der Landesvereine traten als regionale Organisationseinheiten die Landesstellen (frz. comités regionaux). Ihre Gebiete entsprachen den damaligen Wehrkreisen, um die Kriegsvorbereitung zu vereinfachen. Die Landesstellen wurden mit römischen Zahlen bezeichnet, und aufgrund der Anlehnung an die Wehrkreise waren sie nicht durchgehend numeriert (zum Beispiel gab es keine Landesstellen XIV bis XVI).

Unterhalb der Landesstellen gab es Kreisstellen (frz. comités d'ar­ron­dis­se­ment), deren Gebiete sich nach den Stadt- oder Landkreisen richten sollten.

Übersicht der Landesstellen

Landesstelle Sitz Landesführer Heutiger DRK-Landesverband oder Staat
I Königsberg
Jacobstraße 8
1938 bis 1939: Erich Koch (1896–1986) Russland (Калинингра́д, Kaliningrad)
II Stettin 1938 bis 1939: Franz Schwede-Coburg (1888–1960) Mecklenburg-Vorpommern, Polen (Szczecin)
III Berlin
Marienburger Straße 41–46
für die Reichshauptstadt Berlin:
Julius Lippert (1895–1956)
Berlin
für das übrige Gebiet:
1938 bis 1939: Emil Stürtz (1892–1945), anschließend: Friedrich Wilhelm Brekenfeld (1887–?)
Brandenburg
IV Dresden
Königsufer 2
1938 bis 1943: Karl Fritsch (1901–1944), anschließend: Alfred Fernholz (1904–1993) Sachsen1
V Stuttgart
Neckarstraße 42
Jonathan Schmid (1888–1945) Baden, Baden-Württemberg
VI Münster
Bismarckallee 5
1938 bis 1939: Viktor Lutze (1890–1943)?, anschließend: Alfred Meyer (1891–1945) Nordrhein, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz
VII München
Wagmüllerstraße 16
1938–1938: Gotthold Dziewas (1900–1940), ab 1938: Walter Schultze (1894–1979); Stv. bis 1944: Karl von Kraus (1905–1968) Bayern
VIII Breslau 1938 bis 1939: Josef Wagner (1899–1945), anschließend: Johannes (Hans) Janzon (1888–1957)2 Polen (Wrocław)
IX zunächst:
Weimar
Fürstenhaus3

später:
Kassel
Walter Ortlepp (1900–1971) Thüringen, Hessen, Sachsen, Niedersachsen, Bayern
X Hamburg
zunächst:
Harvestehuderweg 26, später: Dammtorstraße 14
Carl Vincent Krogmann (1889–1978); Stv.: Hans-Ernst Tietzen (1889–1944) Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen
XI Hannover
Calenberger Straße 29
Viktor Lutze (1890–1943) / Eduard Busse (1898–1962) Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Sachsen
XII Darmstadt
Rheinstraße 10
Heinrich Reiner (1892–1946) Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg
XIII Nürnberg
zunächst: Nunnenbeckstraße 47; ab 15.08.1938: Bergstraße 254
1938 bis 1945: Willy Liebel(1897–1945); Stv. "Dr. Conrad" Bayern, Baden-Württemberg
XVII (ab 1938) Wien
Milchgasse 1/
Silbergasse 1
zunächst Hugo Jury (1887–1945), später Walter Edmund Ott (1906–1962), offenbar auch Ernst Moritz (1891–1947); Stv. von 1942 bis 1944: Otto Berger (1905–1944) Österreich
XVIII (ab 1938) Salzburg 1938 bis 1944: Otto Berger (1905–1944); Stv. Franz Metzler (1894-?) Österreich
XIX Eine Landesstelle XIX existierte nicht, auch kein Wehrkreis mit dieser Nummer.
XX (ab 1939) Danzig Erich Großmann (1902–1948) Polen (Gdańsk)
XXI (ab 1939) Posen Viktor Böttcher (1880–1946) Polen (Poznań)
Böhmen und Mähren (ab 1939) Prag Stv.: Fritz Plato (1899–?) Tschechien und Slowakei
(vormals Tschechoslowakei)

Die Gebiete der damaligen Landesstellen sind nicht mit denen der heutigen Landes­verbände vergleichbar, und die Landesverbände keine Nachfolgeorganisationen der Landesstellen, sondern Neugründungen. Die Gegenüberstellung in der Tabelle dient nur der räumlichen Orientierung. Die Landesverbände können historisch eher auf die 1937 aufgelösten Landesvereine bezogen werden.

Organisation

Eine Landesstelle war keine selbstständige Einrichtung, sondern eine unselbstständige regionale Untergliederung. Ihr unterstanden neben den Kreisstellen auch alle Einrichtungen (Anstalten), zugeordnete Schwesternschaften und Einheiten des Wasserrettungsdienstes (Wasser-Rettungskommandos), des Bergrettungsdienstes (Gebirgs-Rettungskommandos) und andere Sonder-Rettungskommandos.5 Geführt wurde die Landesstelle von einem Landesführer, der zwei Berichtslinien hatte: Innerhalb des DRK berichtete er an das Präsidium als Organisationsspitze, und daneben berichtete er an den Inspekteur des DRK seines Wehrkreises. Diese Inspekteure waren Beauftragte des Kommissars der freiwilligen Krankenpflege, der Aufsichtsbehörde über das DRK, die ihrerseits dem Reichsministerium des Innern unterstellt war.

Die Führungsstruktur einer Landesstelle bestand neben dem Landesführer im Dienstrang eines Generalhauptführers aus einem Stab, der sich aus folgenden Abteilungen zusammensetzte:5

  • Adjudantur (gewissermaßen Schriftführung),
  • Hauptabteilung I: Führungshauptabteilung,
  • Hauptabteilung II: Personalhauptabteilung,
  • Hauptabteilung III: Verbindungshauptabteilung zur NS-Frauenschaft (NSF),
  • Hauptabteilung IV: Verwaltungshaupttabteilung,
  • Hauptabteilung V: Presse- und Werbehauptabteilung,
  • Hauptabteilung VI: Hauptabteilung für Schwesternwesen.

Die Hauptabteilung I wurde regelmäßig vom stellvertretenden Landesführer geführt, der dazu den Dienstrang eines Generalführers verliehen bekam.

Die Organisationsstruktur entsprach fast der einer Kreisstelle. Die Führungshauptabteilung einer Landesstelle hatte mehr Aufgaben als die Führungsabteilung eines Kreisstelle. Zur Hauptabteilung VI einer Landesstelle gab es keine Entsprechung in einer Kreisstelle.

Weitere Informationen

Erläuterungen und Einzelnachweise

  1. Siehe auch: Artikel Rotes Kreuz Sachsen.
  2. Der Arzt und als Medizinalrat tätige Johannes (Hans) Janzon (1888–1957) war eigenen Angaben zufolge von 1919 bis 1945 Mitglied im Deutschen Roten Kreuz. Karl von Rumohr (1900–1967) bezeugte 1948 im Rahmen der Entnazifizierung über seine Mitwirkung in einem offensichtlichen Gefälligkeitsgutachten: Herr Dr. Janzon war zuletzt in Breslau Dezernent für das Gesundheitswesen des Regierungsbezirks. Seiner Berufsvorbildung nach ist er Arzt. Sein Arbeitsgebiet war rein sachlich und hatte mit Politik und militärischen Belangen nichts zu tun. Aus seiner hauptamtlichen Tätigkeit als Sachbearbeiter des Regierungspräsidenten entstand automatisch seine Betätigung im Deutschen Roten Kreuz. Hier lagen seine Aufgaben auf dem Gebiet der Organisation und der fachlichen Ausbildung der Rotkreuz-helferinnen [sic!] und -schwestern. Trotz seiner Mitgliedschaften in der NSDAP, im NSV und im NS-Ärztebund und seiner exponierten Stellung, die bei seiner hauptamtlichen Tätigkeit und seiner Rolle als Landesführer im Deutschen Roten Kreuz damit verbunden sein musste, nationalsozialistisches Unrecht durchgesetzt zu haben, wurde er 1949 durch die Einstufung in die Kategorie V völlig entlastet. — Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Rheinland, NW_1005-G.42 (SBE Hauptausschuss Stadtkreis Essen), Nr. 5242.
  3. Heutige Anschrift: Platz der Demokratie 2/3.
  4. Deutsches Rotes Kreuz, Verordnungsblatt, Berlin 1937ff, Folge 9, September 1938, Kennzeichen P, Blatt 28.
  5. 5,0 5,1 Deutsches Rotes Kreuz, Dienstvorschrift für das Deutsche Rote Kreuz (DRKDv. Nr. 1), in: Felix Grüneisen, Das Deutsche Rote Kreuz in Vergangenheit und Gegenwart, Leipzig 1939, Seiten 275–287; Abschnitt III, Kapitel C.