Oxford-Grundsätze

Nachschlagewerk über das Deutsche Rote Kreuz und die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung
(Weitergeleitet von Oxford-Regeln)

Allgemeines

Die Oxford-Grundsätze (Oxford Principles; im Deutschen auch: Oxford-Regeln) wurden 1946 von der Liga der Rotkreuz-Gesellschaften, der heutigen Inter­natio­nalen Fö­dera­tion der Rot­kreuz- und Rot­halb­mond­gesell­schaften, beschlossen. Sie waren nicht unter diesem Namen bekannt, sondern wurden erst später so bezeichnet, weil sie auf der 19. Sitzung des Gouverneursrats der Liga, der 1946 in Oxford (Großbritannien) tagte, diskutiert und angenommen wurden. Sie sind eine Weiterentwicklung der 1921 vom Inter­nationale Komitee vom Roten Kreuz gesetzten Grundsätze.

Die Oxford-Grundsätze bestehen aus 13 Regeln für Nationale Gesellschaften und 6 Anwendungsvorschriften für diese Regeln. Auf dieser Basis entwickelte Jean Pictet (1914–2002) in 1954 insgesamt 17 Regeln, die er in 7 Grundsätze (fundamental principles) und 10 organisatorische Regeln (organic principles) einteilte. Diese 7 Grundsätze entsprachen nicht den heutigen 7 Grund­sätzen, die 1965 beschlossen wurden.

Grundsätze

Freiwilligkeit, Eigenständigkeit, Offenheit

Im Original lautet die Regel: National Societies as voluntary, autonomous organizations, open to all. Dazu passt die Anwendungsregel: training personnel.

Nationale Gesellschaften sind eigenständige Organisationen, keine staatlichen Einrichtungen. Der heutige Grundsatz der Unabhängigkeit geht noch weiter und beinhaltet diese Forderung.

Die Gesellschaften stehen allen in ihrem Gebiet lebenden Menschen offen, schließen also nicht Bevölkerungsgruppen von der Mitwirkung aus. Das ist heute im Grundsatz der Einheit ausdrücklich enthalten.

Die Menschen, die in einer Nationalen Gesellschaft mitwirken, tun das freiwillig, ohne Zwang. Das sagt heute der Grundsatz der Freiwilligkeit aus. Die Anwendungsregel motiviert dazu, die freiwillig Engagierten zu qualifizieren, anders als zum Beispiel Un­ge­bun­dene Helfer, die mir akquiriert, verwaltet und disponiert werden.

Staatliche Anerkennung, Auxiliarität

Im Original lautet die Regel: their recognition by the Government, the Society's auxiliary character.

Die Nationalen Gesellschaften müssen von dem Staat, in dem sie tätig sind, anerkannt werden. Das ist eine der weiterhin gültigen Anerkennungsbedingungen für eine Nationale Gesellschaft).

Die Gesellschaften unterstützen den Staat bei seinen humanitären Aufgaben. Das ist ihre Rolle als Auxiliar.

Schutz des Wahrzeichens

Im Original lautet die Regel: protection of the emblem. Zusätzlich gibt es diese Anwendungsregel: the fight against abuses of the emblem.

Die Natio­nalen Gesell­schaften sollen sich dafür einsetzen, dass das Rote Kreuz bestimmungsgemäß verwendet wird. Die Staaten haben häufig entsprechende Rechtsgrundlagen geschaffen. In den deutschsprachigen Staaten sind das

Beispielsweise das Deut­sche Rote Kreuz setzt sich aktiv dafür ein, dass ihm bekannt gewordener oder bekannt gemachter Missbrauch der Wahrzeichen unterlassen wird. Dazu setzt es bei Bedarf auch rechtliche Mittel ein, außergerichtlich und gerichtlich.

Verbreitung

Im Original lautet die Regel: the National Societies must spread knowledge of the principles.

Zur heutigen Verbreitungsarbeit gehört nicht nur, die Kenntnis und damit Beachtung des Huma­ni­tären Völker­rechts aktiv zu fördern, sondern auch der Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Das geht jedoch nicht aus einem der geltenden Grundsätze hervor.

Frieden

Im Original lautet die Regel: promoting peace.

Eine direkte Friedensarbeit, die sich in einer deutlichen Formulierung in einem Grundsatz oder besser sogar in einem eigenem Grundsatz gefordert wird, war 1959–1961 das Ansinnen der Natio­nalen Gesell­schaft der ehemaligen Sowjetunion (1922–1991). Sie konnte sich damit in der Bewegung nicht durchsetzen. Als Kompromiss blieb der letzte Satz des heutigen Grundsatzes der Menschlichkeit, der dort eigentlich nicht passt: [Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung] fördert gegenseitiges Verständnis, Freundschaft, Zusammenarbeit und einen dauerhaften Frieden unter allen Völkern.

Menschlichkeit im Krieg

Im Original lautet die Regel: the principle of humanity in time of war (general activities). Zusätzlich gibt es diese Anwendungsregel: preparing for services in wartime (acting as auxiliaries to army medical services, assisting prisoners of war, forwarding information and Red Cross messages, tracing the missing and reporting on the wounded).

Der aktuelle Grundsatz der Menschlichkeit erwähnt an prominenter Stelle die Herkunft der Bewegung aus kriegerischen Situationen (entstanden aus dem Willen, den Verwundeten der Schlachtfelder unterschiedslos Hilfe zu leisten), sagt aber nichts zu den Aufgaben im Krieg. Dadurch, dass sich die Bewegung bemühen soll, in ihrer internationalen und nationalen Tätigkeit, menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern, ist kein Anlass ausgeschlossen, auch nicht der Krieg.

Linderung von Naturkatastrophen

Im Original lautet die Regel: alleviating the consequences of natural disasters. Dazu passt die Anwendungsregel: training first-aid workers.

Die Oxford-Grundsätze vermengen die Aufgaben der Bewegung mit der Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen soll. Katastrophenschutz (im eigenen Gebiet) und Katastrophenhilfe (im fremden Gebiet) finden sich heute in den Weltkernaufgaben, die jede Nationale Gesellschaft wahrnehmen muss.

Öffentliche Gesundheitsfürsorge

Im Original lautet die Regel: the fight against epidemics; public health concerns.

Auch der Einsatz für örtliche Gesundheits- und Sozialarbeit findet sich in den Weltkernaufgaben, jedoch eingeschränkt auf die Durchführung in ihrer ehrenamtlichen Ausprägung, also nicht die haupt­amtlich gesprägten Leistungen als Sozialunternehmen.

Demokratie

Im Original lautet die Regel: democratic organization.

Dieser Oxford-Grundsatz hat es nicht in die geltenden Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung geschafft, und er ist auch keine Anerkennungsbedingung für eine Nationale Gesellschaft. Diese Forderung fand sich auch schon nicht mehr in den Vorschlägen von Jean Pictet (1914–2002), aus denen die heutigen Grundsätze hervorgingen.

Eigene Finanzierung

Im Original lautet die Regel: financing (membership fees, donations).

Die Unabhängigkeit der Gliederungen der Bewegung soll dadurch sichergestellt werden, dass sie freie Mittel aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden akquirieren. Sie müssen eine Eigenständigkeit bewahren, die ihnen gestattet, jederzeit nach den Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung zu handeln, sagt der Grundsatz der Unabhängigkeit.

Jugendarbeit

Im Original lautet die Regel: instructing youth in the Red Cross ideals. Zusätzlich gibt es diese Anwendungsregel dazu: promoting Youth Red Cross activities.

Die Aufgabe findet sich nicht in den modernen Grund­sätzen, jedoch in den Weltkernaufgaben als Heranführung junger Menschen an die Weltkernaufgaben. Das zeigt die nach dem Zwei­ten Welt­krieg (1939–1945) wieder gewachsene Bedeutung des Jugendrotkreuzes auf internationaler Ebene.

Unabhängigkeit

Im Original lautet die Regel: independence. Zusätzlich gibt es diese Anwendungsregel: independence and voluntary service.

Dieser Oxford-Grundsatz ist wörtlich als Grundsatz der Unabhängigkeit geblieben. Die Anwendungsregel kann damals als Zusammenhang gedacht gewesen sein: Ein ausreichender Bestand an Ehrenamtlichen fördert auch heute noch die Unabhängigkeit einer Natio­nalen Gesell­schaft.

Mitgliedschaft in der Liga

Im Original lautet die Regel: membership of the League.

Durch Namensänderung wurde aus der damaligen Liga der Rotkreuz-Gesellschaften die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften. Eine Gesellschaft kann nur Mitglied werden, wenn sie als Nationale Gesellschaft vom Inter­natio­nalem Komitee vom Roten Kreuz und ihres Staates anerkannt wurde. Durch die internen Regeln der Bewegung bleibt daher dieser Oxford-Grundsatz gewahrt.

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