Fundraising

Nachschlagewerk über das Deutsche Rote Kreuz und die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung
(Weitergeleitet von Mittelbeschaffung)

Allgemeines

Begriff des Fundraisings

Fundraising bzw. Mittelbeschaffung bezeichnet die Tätigkeit, Geldmittel einzuwerben, um damit naturgemäß oder durch die Art ihrer Führung defizitäre Aufgaben einer Organisation zu refinanzieren und damit erst möglich zu machen. Es gibt ein enges Verständnis der Tätigkeit, die sie auf die organisierte und systematische Beschaffung von Ressourcen, ohne dass der Geber eine Gegenleistung erwartet, reduziert.1 Für das Deut­sche Rote Kreuz (DRK) und die ganze Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung passt besser ein weites Verständnis von Fundraising, demzufolge es das Ziel ist, alle benötigten Ressourcen (Geld-, Sach- und Dienstleistungen) durch eine konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Ressourcenbereitsteller (Privatpersonen, Unternehmen, Stiftungen, öffentliche Institutionen) zu möglichst geringen Kosten zu beschaffen.2

Bedeutung im Deutschen Roten Kreuz

Soweit eine DRK-Gliederung sich nicht darauf beschränkt, Leistungen gegen Geld am freien Markt (zum Beispiel Hausnotruf, Erste-Hilfe-Ausbildung oder Sanitätswachdienst) oder als Leistungserbringer subsidiär für öffentliche Leistungsträger verkaufen (zum Beispiel Flüchtlingshilfe, Rettungsdienst oder Jugendsozialarbeit), muss sie in irgendeiner Form Fundraising betreiben, um die Aufgaben durchführen zu können, auch wenn sie die Tätigkeit nicht so bezeichnet. Das gilt für ehren­amtlich wie für haupt­amtlich getragene Aufgaben.

Durch das starke Wachstum des Dritten Sektors in Deutschland, einschließlich der Gründung und Etablierung zahlreicher neuer Organisationen unter den Dach oder außerhalb der etablierten Wohlfahrtsverbände, haben sie sich von ehrenamtlich geprägten Initiativen zu professionellen Sozialunternehmen und Dienstleistungsunternehmen im Gesundheitswesen gewandelt. Hauptamtlich getragene Tätigkeitsbereiche haben durch die hohen Personalkosten für die meist über dem Durchschnittseinkommen bezahlten Fachkräfte einen weitaus höheren Mittelbedarf als ehren­amtlich getragene Tätigkeitsbereiche, in denen stattdessen die Kosten für Infrastruktur, Material und Aus- und Fortbildung dominieren. Daher wird unter Fundraising häufig die berufliche Tätigkeit verstanden, Mittel einzuwerben. Tatsächlich ist es aber, wie schon beschrieben, eine notwendige Aufgabe auch im Ehrenamt wie beispielsweise in Ortsvereinen ohne hauptamtliche Kräfte.

Klassische Wege der Mittelbeschaffung

Typische Beispiele

Klassische Methoden zur Beschaffung von Finanzmitteln im Deut­schen Roten Kreuz sind vor allem die Einwerbung von Geldspenden, die Werbung und Pflege von Fördermitgliedern und Zuwendungen öffentlicher Stellen. Dazu kommen noch, regional, örtlich oder auf Einzelfälle beschränkt, unter anderem der gewinnbringende Verkauf von Waren (historisch beispielsweise vom Vivatbändern), Glückspiele bei Jahrmärkten (eher eine bayerische Besonderheit mit dort spezieller Privilegierung im Glücksspielstaatsvertrag), Veranstaltungen wie Rotkreuzbälle, Vermächtnisse wie Erbschaften und Legate sowie die Vermögensverwaltung wie Kapitalanlagen und Vermietung.

Abnehmende Bedeutung

Solche klassische Methoden sorgten für überwiegend frei verwendbare, teils auch zweckgebundene Mittel, mit denen sich in der Anfangszeit und bis ungefähr in die 1980er-Jahre die meisten Gliederungen auskömmlich finanzieren ließen. Allmählich gab es jedoch eine Kostensteigerung durch höhere Ansprüche an Gebäude und Arbeitsmittel, und vor allem durch die Personalkosten im Zuge der Professionalisierung von Tätigkeitsbereichen (zum Beispiel im Rettungsdienst, in der Erste-Hilfe-Ausbildung und in einen Teilen der Wohlfahrtspflege), das heißt dem Wechsel vom unbezahlten oder durch durch Aufwandsentschädigungen entlohnten Ehrenamt zu marktüblich bezahlten und sozialversicherten Angestellten, eingekauften Honorarkräften, Zivildienstleistenden (1961–2011) und einen Freiwilligendienst ableistenden Personen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass es inzwischen für viele Tätigkeiten einen Fachkraftstandard, eine andere Regulierung und zeitliche Anforderungen gibt, die die Mitwirkung von ehren­amtlich Engagierten nur ergänzend erlauben, zum Beispiel in der Kinder- und Jugendhilfe wie der Schulsozialarbeit oder im Rettungsdienst bei der Verstärkung für Sonderlagen (Rettungsdienstverstärkung) oder als Helfer-vor-Ort.

Ein weiterer Einflussfaktor ist die veränderte gesellschaftliche Stellung des Deut­schen Roten Kreu­zes. Die humanitäre Tätigkeiten im großen Stil in den beiden Weltkriegen prägte das Image der Organisation in der Nachkriegszeit, verblasste aber mit dem zeitlichen Abstand durch das Versterben der Zeitzeugen. Das führt insbesondere bei den Fördermitgliedern zu einem starken Rückgang. Dabei spielt auch das veränderte allgemeine Spendenverhalten und die geringere Bindung an einzelne Organisationen eine Rolle: Statt dauerhaft als Fördermitglied für eine Organisation zu spenden, neigen die Menschen eher dazu, anlassbezogen bei bestimmten Notlagen und für bestimmte Zwecke zu spenden.

Manche Methoden zur Mittelgewinnung haben sich überlebt. Zum Beispiel die Haus- und Straßensammlung wird häufig noch durchgeführt, hat aber inzwischen, besonders in städtischen Gebieten, einen belästigenden Charakter und dadurch an Bedeutung verloren. Ehrenamtliche für diese Aufgabe zu motivieren, ist auch schwieriger geworden. Kommerzielle Dienstleister werden mit der Haustürwerbung von Fördermitgliedern beauftragt und erscheinen aus werblichen Gründen als Mitglieder oder Mitarbeiter des Roten Kreuzes, obwohl sie das nicht sind; das stößt gelegentlich auf Befremden, und die ganze Maßnahme ist unpopulär und bedarf der Erklärung.3

Neue Wege der Mittelbeschaffung

Subsidiäre Leistungen für den Staat

Subsidiär für den Staat erbrachte Leistungen im Sozialwesen oder Dienstleistungen im Gesundheitswesen wie Kranken­häuser können (müssen aber nicht) Gewinne abwerfen, wenn mit den öffentlichen Kostenträgern vorteilhaft verhandelt wurde oder die Leistungen pauschal vergütet werden. Das gilt insbesondere in akuten Notlagen wie in der neueren Zeit bei der Flüchtlingshilfe in der Flüchtlingskrise 2015/2016 oder dem Betrieb vom Teststellen und Impfzentren in der COVID-19-Pandemie 2020–2023. Bei einer Defizitdeckung oder kostengenauen Abrechnung von Zuwendungen lassen sich keine Gewinne erzielen. Die in der Regel gemeinnützigen Gliederungen dürfen keine Gewinne ausschütten, aber die entstandenen freien Mittel ihren Rücklagen zuführen und für defizitäre Aufgabenbereiche verwenden, das heißt insgesamt eine Mischfinanzierung einrichten.

Frei am Markt angebotene Leistungen

Überschüsse können auch durch frei am Markt angebotene Leistungen wie Hausnotruf, Erste-Hilfe-Ausbildung, Sanitätswachdienst oder Dienstleistungen oder Produkte der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) generiert werden. Ob sie überwiegend oder ganz zur Stabilisierung, Pflege und Weiterentwicklung des betreffenden Tätigkeitsbereichs oder zur Deckung von Verlusten in einem anderen Bereich eingesetzt werden, ist eine Entscheidung der jeweiligen Gliederung, wobei auch rechtliche Vorgaben zu berücksichtigen sind.

Andere Produkte und Dienstleistungen

Eine weitere Quelle von Überschüssen sind der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen, die keinen Bezug zu den satzungsgemäßen Aufgaben einer Gliederung haben. Soweit diese Geschäftsfelder nicht in eigene Unternehmen ausgegliedert sind und damit in die Vermögensverwaltung fallen, gehören sie zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der gemeinnützigen Organisation.
→ Artikel Produkte

Förderung durch externe Stiftungen

Das Stiftungswesen in Deutschland wächst kontinuierlich: Der Stiftungsbestand hat spätestens seit dem Jahr 2000 stetig zugenommen4, womit das Stiftungsvermögen insgesamt und damit die Fördermöglichkeiten größer geworden sind. Im Deut­schen Roten Kreuz sind auch zahlreiche eigene → Stiftungen entstanden.

Externe Stiftungen können auf Antrag bestimmte Investitionen oder zeitlich begrenzte Projekte fördern, wenn sie zum Stiftungszweck passen, ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, der Antrag formgerecht und inhaltlich überzeugend ist und sich im Wettbewerb gegen andere Anträge durchsetzt.

Weitere Informationen

Websites

Enzyklopädie

Einzelnachweise

  1. Wikipedia.de, Fundraising (Permalink), abgerufen am 19. Mai 2024.
  2. Wirtschaftslexikon.Gabler.de, Fundraising.
  3. BRK.de, 11 Fragen / 11 Antworten zum Haustür-Fundraising im Bayerischen Roten Kreuz, abgerufen am 19. Mai 2024.
  4. Stiftungen.org, Aktuelle Grafikblätter zum Stiftungswesen in Deutschland, abgerufen am 19. Mai 2024.