DRK-Dienstvorschrift 100
Allgemeines
Die DRK-Dienstvorschrift 100 (DRK-DV 100) heißt auch Führung und Leitung im Einsatz. Sie beschreibt das Führungssystem zur Bewältigung von Einsätzen des Deutschen Roten Kreuzes als Hilfsorganisation und ist eng an gleichnamige Vorschriften der Bundesländer angelehnt1, so dass die Führungssysteme miteinander kompatibel sind. Die zugrundelegende Methode ist das Führen mit Auftrag2, die sich auch in den Führungsgrundsätzen findet.
Die Vorschrift regelt die Führungsorganisation2.1, den Führungvorgang2.2 und die Führungsmittel2.3. Die Regeln sind generisch, also ohne Bezug zur spezifischen Verfassung des Deutschen Roten Kreuzes, und eine Umsetzung der betreffenden Katastrophenschutz-Dienstvorschrift (KatS-DV 100). → Abschnitt Bewertung (Siehe unten!)
Die DRK-DV 100 ist eine Rahmenrichtlinie des Bundesverbands. Sie kann sowohl direkt von einem Landesverband angewendet, als auch durch eine an die regionale Situation angepasste Variante implementiert werden — wie in Westfalen-Lippe geschehen3.
Inhalt
Kapitel 1: Allgemeines
Es wird auf die Bedeutung einer Einsatzleitung hervorgehoben, die Informationsdefizite der operativ helfenden Gruppen ausgleichen und sie disponieren soll. Ein Führungssystem mit definierten Prozessen unterstützt die Einsatzleitung dabei.
Weiterhin wird auf organisationseigene Regelungen wie die Ordnung der Bereitschaften, die Ordnung der Wasserwacht, die Ordnung der Bergwacht und die Krisenmanagement-Vorschrift (K-Vorschrift) sowie auf staatliche Regelungen verwiesen.
Kapitel 2: Führung und Leitung
Die Begriffe Führung und Leitung werden definiert. In dem Zusammenhang wird die Bedeutung der Persönlichkeit des als Führungskräfte eingesetzten Personals unterstrichen. Typische Führungsstile werden unvollständig aufgezählt, wobei für den kooperativen Führungsstil geworben wird, weil er den Führungsgrundsätzen des DRK entspricht. Die Umsetzung soll durch das Führen mit Auftrag (Auftragstaktik) erfolgen.
Kapitel 3: Führungssystem
Es werden die Aufbauorganisation der Einsatzleitung selbst, der operativ tätigen Einsatzkräfte und die Prozesse innerhalb der Einsatzleitung und zur Lenkung der Einsatzkräfte beschrieben. Das orientiert sich stark an militärischen Strukturen.
Abhängig von der Größe eines Einsatzes werden vier Führungsstufen definiert. Die Qualifikation der Führungskräfte, die einen Einsatz leiten, richtet sich nicht nach der Führungsstufe, sondern nach der tatsächlich im Einsatz befindlichen Einsatzkräfte.
Führungsstufe | Einsatzgröße | Führungskraft | |
---|---|---|---|
A | Führen ohne Führungseinheit | Trupp | Truppführer |
Gruppe | Gruppenführer | ||
Zwei Gruppen | Zugführer | ||
B | Führen mit örtlichen Führungseinheiten | Zug | Zugführer |
Verband | Verbandführer | ||
C | Führen mit einer Führungsgruppe | Verband | Verbandführer |
D | Führen mit einer Führungsgruppe bzw. mit einem Führungsstab |
mehrere Verbände | Stabsarbeit |
Bewertung
Unzureichende Nutzung im Sanitätswachdienst
Für die erfolgreiche Zusammenarbeit bei größeren Schadenslagen, einschließlich des Katastrophenfalls, sind ein gemeinsames Verständnis des ordnungsgemäßen Führungvorgangs und kompatible Führungssysteme erforderlich. Oftmals wird die DRK DV 100 als schwerfällig angesehen und insbesondere bei größeren Sanitätswachdiensten nicht konsequent angewandt. Dadurch fehlen dann sowohl Strukturen für ein unerwartetes Aufwachsen der Lage, und eine praxisnahe Übungsmöglichkeit für die seltenen Einsätze als Katastrophenschutz wird nicht genutzt.
Begrenzte Anwendung in Katastrophenfällen
Bei tatsächlichen Katastrophenfällen wie beispielsweise der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 zeigte sich, dass organisationsübergreifend die zuvor eingeübten Führungssysteme nicht gelebt werden. Spontanhelfer, die im Ahrtal umfangreich und wirksam im Einsatz waren, kennen die Strukturen der Behörden und Hilfsorganisationen nicht, und sie ordnen sich auch nicht vollständig in deren Führungsstrukturen ein.
Ein Grundfehler der DV 100, unabhängig von ihrer konkreten Ausprägung in Gestalt der DRK-DV 100, ist ihre Herleitung von militärischen Vorbildern. Hilfsorganisationen sind keine paramilitärischen Einheiten. Sie haben als ursprünglich Bürgerinitiativen oder kirchliche Wohlfahrt keine militärische Kultur und keine militärische Disziplin. Für sie steht der humanitäre Gedanke im Vordergrund, nicht das bloße Funktionieren in einem Gesamtsystem mit der damit verbundenen Ein- und Unterordnung.
Generische Regelungen ohne Berücksichtigung der Grundsätze
Von Nachteil ist es, dass es die DRK-DV 100 versäumt, auf die bei einem Einsatz besonders relevanten spezifischen Merkmale des Deutschen Roten Kreuzes als Nationale Gesellschaft und Auxiliar einzugehen. Beispielsweise schränken die Wahrung der Unabhängigkeit und die strikte Befolgung des Zieles der Menschlichkeit die Möglichkeit zur Einbindung des DRK in behördliche Strukturen ein. Behörden wünschen als Ressourcen für die Gefahrenabwehr jedoch austauschbare und vergleichbare Hilfeleistungskontingente, und die Berücksichtigung ideeller (DRK) oder religiöser (MHD, JUH) Besonderheiten werden dabei als hinderlich gesehen. Wenn Gliederungen des DRK deshalb ihre Besonderheiten zurückstellen, laufen sie Gefahr, die Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung zu verletzen und damit auch gegen das DRK-Gesetz zu verstoßen. Die DRK-DV 100 hätte dazu systematische und musterhafte Lösungsansätze bieten können. Als bloß generische Regelung tut sie das nicht.
Weitere Informationen
Dienstvorschriften
- Deutsches Rotes Kreuz, DRK-Dienstvorschrift 100. Führung und Leitung im Einsatz, Bonn 2000
- Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Westfalen-Lippe, DRK-Dienstvorschrift 100. Ausgabe Westfalen-Lippe. Führung und Leitung im Einsatz, Münster 2001
- Deutsches Rotes Kreut, Landesverband Badisches Rotes Kreuz, Rahmenrichtlinien des Landesverbands Badisches Rotes Kreuz zur Umsetzung der DRK-DV 100 Führung und Leitung im Einsatz, ohne Jahr (ca. 2004)
Enzyklopädie
- Artikel Krisenmanagement-Vorschrift (K-Vorschrift)
- Artikel DRK-Dienstvorschrift 102
- Artikel Dienstvorschrift
- Artikel Führungsgrundsätze
Einzelnachweise und Erläuterungen
- ↑ So erklärt sich die Zahl 100 in der Bezeichnung.
- ↑ Deutsches Rotes Kreuz, DRK-Dienstvorschrift 100. Führung und Leitung im Einsatz, Bonn 2000, Abschnitt 2.3.2: Auftragstaktik als Führungskonzeption.
- ↑ Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Westfalen-Lippe, DRK-Dienstvorschrift 100. Ausgabe Westfalen-Lippe. Führung und Leitung im Einsatz, Münster 2001.