Bundesgerichtshof – 4 StR 225/22 – 1. Juni 2023
Ein bereits wiederholt als krimineller Hochstapler aufgefallener und unter anderem deswegen vorbestrafter Mann wurde zunächst ehrenamtlich und dann auch hauptamtlich für einen Ortsverein und einen Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes als vermeintlicher Arzt tätig.
Vorbestrafter Hochstapler
Ein bereits einschlägig vorbestrafter Hochstapler wurde im September 2019 von einem Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes im Landesverband Westfalen-Lippe zum Rotkreuzarzt gewählt. Er gab vor, Medizin studiert und als Arzt approbiert zu sein, obwohl sich seine akademische Ausbildung darauf beschränkte, ein Studium der Sozialpädagogik begonnen und abgebrochen zu haben. Seine tatsächliche medizinische Qualifikation war offenbar die eines Rettungshelfers NRW, die ihn nur als Fahrer im Krankentransport befähigte, nicht einmal als verantwortliche Transportführer. Anderen Quellen zufolge war er Rettungssanitäter, was ebenfalls kein Lehrberuf ist. Eine ärztliche Tätigkeit übte er zunächst im Sanitätswachdienst bei Veranstaltungen aus, zum Beispiel bei Volksfesten und Fußballspielen.
Die zum Nachweis der ärztlichen Qualifikation erforderlichen Unterlagen hatte er gefälscht, darüber hinaus auch Dokumente, die seine Weiterbildung und Befähigung zur Tätigkeit als Notarzt nachweisen sollten. Nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie in Deutschland (2020–2023) wurde er auch hauptamtlich für den örtlichen Kreisverband tätig, zunächst zur Leitung der Durchführung von Corona-Tests. Dabei rechnete er gegenüber Kreisverband ärztliche Leistungen von über 500.000 Euro ab, die die Stadt erstattete. Später wurde er vom Kreisverband dem örtlichen Gesundheitsamt im Zuge einer Personalgestellung überlassen, wozu er erneut ein Dokument fälschte, um sich als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ausgeben zu können. Für das Gesundheitsamt sollte er das Impfzentrum in Hagen leiten.
Dokumentierte Zweifel an seiner Qualifikation kamen spätestens im September 2020 auf. Im Januar 2021 wurde er verhaftet und erstmals im November 2021 vom Landgericht Hagen verurteilt, zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Eine Revision der Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof im Juni 2023 war erfolgreich, wodurch das Strafmaß schließlich noch steigen kann.
Lehrreicher Vorfall
Gefälschte Zeugnisse und andere Urkunden, aus denen sich ein persönlicher Vorteil ergibt, kommen immer wieder vor, weil die Fälschung durch digitale Hilfsmittel relativ einfach durchzuführen ist, für sich genommen noch niemandem schadet, was die Hemmschwelle senkt, und im Verhältnis zum Aufwand eine erhebliche Bereicherung und auch einen bedeutenden Standesgewinn ermöglicht. Der Vorfall in Hagen ist ein Musterbeispiel dafür, mit welchen einfachen Mitteln das verhindert werden kann:
- Der Täter war bereits zweimal rechtskräftig wegen vergleichbarer Verbrechen vorbestraft, wobei er sich noch in der Bewährungszeit befand. Insgesamt gab es vier Vorstrafen. Es hätte schon die Prüfung des einfachen Führungszeugnisses ausgereicht, um das zu erkennen, soweit die Urteile dort eingetragen sind. Er war ein Serientäter, daher die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er dabei aufgefallen wäre.
- Die Urkunden hatte er nur dem Ortsverein vorgelegt, wo sie kein Arzt, sondern nur ein Notfallsanitäter prüfte. In einem Gespräch mit einer ärztlich qualifizierten Person wäre möglicherweise sein vorgeblich ärztlicher Lebenslauf unplausibel erschienen. Es ist bekannt, dass Hochstapler, die sich als Ärzte ausgeben, bevorzugt ärztliche Disziplinen wählen, wo sie weniger schnell auffallen, weil sie einfacher Fähigkeiten vortäuschen können. Die Psychiatrie gehört dazu.
- Bedeutende Urkunden sollten immer im Original geprüft werden, und im Fall von regulierten Berufen, wenn der Werdegang nicht selbst nachvollzogen werden kann, darüber hinaus bei der Berufskammer überprüft werden. Das ist durch das sehr hohe Schadensrisiko gerechtfertigt, und gerade deshalb sind die betreffenden Berufe reguliert worden.
Da er ein langjähriger Serientäter ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass er nach dem Ablauf seiner Haftstrafe in der Mitte der 2020er-Jahre wieder als Hochstapler aktiv wird. Wenn bis dahin die bundesweite Sperrliste eingerichtet ist und er dort erfasst wird, kann er künftig zumindest von Gliederungen des Deutschen Roten Kreuzes erkannt und abgewehrt werden.
Weitere Informationen
Websites
- Rechtsdepesche.de, Rettungshelfer erschleicht sich als falscher Arzt Tausende Euros, 26. Juni 2025
- N-TV.de, Festnahme in Hagen. Falscher Arzt sollte Impfzentrum leiten, 19. Januar 2021
- Datenbank.NWB.de, BGH Urteil v. 01.06.2023 - 4 StR 225/22
Enzyklopädie
- Artikel Sanitätsdienst
- Artikel Rotkreuzarzt
- Artikel Sperrliste