Bayerisches Landessozialgericht – L 2 U 430/15 – 26. Oktober 2016

Nachschlagewerk über das Deutsche Rote Kreuz und die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung

Der psychisch kranke, stellvertretende Vorsitzende einer Ortsgruppe der Wasserwacht begab sich alleine in die Wasserwachtstation an einem See und verstarb anschließend beim Schwimmen. Es handelte sich nicht um eine versicherte Tätigkeit, weshalb die Witwe keine Hinterbliebenenleistung erhielt.

Tod beim Schwimmen

An einem Donnerstagnachmittag im Sommer 2009 begab sich der 50- oder 51-jährige stellvertretende Vorsitzende der Wasserwacht Sachsenkam, einer Ortsgruppe der Wasserwacht des Baye­ri­schen Roten Kreuzes (BRK), zur Wasserrettungsstation seiner Ortsgruppe. Diese auch Wasserwachthütte oder kurz Hütte genannte Station befindet sich am KirchseeWP im Naturschutzgebiet Ellbach- und KirchseemoorWP und ist in der warmen Jahreszeit regelmäßig an Wochenenden besetzt. Das Mitglied der Wasserwacht hatte angekündigt, restliche Tätigkeiten an einer neu eingebauten, gebrauchten Küche vorzunehmen.

Er hatte sich um 1530 Uhr in das Wachbuch eingetragen. Gegen 1920 bis 1930 Uhr wurde er von einem Badegast leblos treibend im See entdeckt. Nach seiner Bergung mittels Rettungshubschrauber wurde er gegen 2050 Uhr im Krankenhaus eingeliefert. Fortgesetzte Versuche der Wiederbelebung blieben erfolglos, so dass er um 2136 Uhr für tot erklärt wurde.

Der Verstorbene war erwiesen psychisch krank und seit einem Suizidversuch in 2001, wo er sich in derselben Hütte erhängen wollte, in psychotherapeutischer Behandlung. Anlass war der Verlust seiner beruflichen Stellung gewesen, einer leitenden Funktion. 2008 ereilte ihn mit dem Unfalltod seiner 18- und 19-jährigen Söhne ein weiterer Schicksalsschlag. Er hatte einen weiteren Sohn, mit dem er seit 2007 ein Unternehmen betrieb, das seinen eigenen Angaben zufolge schlecht lief.

Die Obduktion konnte keine äußeren Verletzungen, keine innere Erkrankungen und aufgrund der Veränderungen durch die Wiederbelebungsversuche auch kein Ertrinken nachweisen. Er war jedoch erheblich alkoholisiert, mit einem Blutalkoholspiegel von 1,3‰ befand er sich im Rauschstadium. Weiterhin hatte er offensichtlich Lösungsmittel zu sich genommen und war dadurch vergiftet, und man hatte im Krankenhaus ein Teppichmesser gefunden, das er in seiner Badehose mit sich führte. Aufgrund dieser Umstände ging die ermittelnde Kriminalpolizei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Suizid aus.

Kein Arbeitsunfall

Die Ehefrau des Verstorbenen machte Hinterbliebenenleistungen gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung geltend, die das jedoch ablehnte. Das BRK hatte zwar einen Arbeitsunfall gemeldet und durch Zeugen vor Gericht bestätigt, dass das letzte Schwimmen des Verstorbenen eine dienstliche Tätigkeit gewesen sein dürfte, doch die Versicherung lehnte 2010 ab, den Vorfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Gegen den Bescheid der Versicherung erhob die Witwe in 2011 vergeblich Klage beim Sozialgericht MünchenWP. Das Gericht wies die Klage in 2015 ab, weil mit dem Schwimmen keine versicherte Tätigkeit vorgelegen habe. Ob es sich um Selbstmord handelte, wurde dabei nicht beurteilt und berücksichtigt, weil es keine Rolle für die Entscheidung spielte.

Die Berufung gegen dieses Urteil beim LandessozialgerichtWP scheiterte in 2016. Der Eintrag in das Wachbuch würde keinen Versicherungsschutz für alle Tätigkeiten, die der versicherte Verstorbene anschließend ausüben würde, begründen. Es sei nicht bewiesen worden, dass sein Schwimmen im See tatsächlich ein Training als Rettungsschwimmer gewesen sei und nicht nur der Abkühlung an einem heißen Sommertag diente. Ob er überhaupt eine versicherte Tätigkeit an diesem Tag ausgeübt hatte, ließe sich nicht beweisen. Selbst wenn er noch an der Küche gearbeitet hätte, die bereits fertig eingebaut war, hatte er diesen Arbeitsbereich verlassen, als er sich zum Schwimmen in den See begab und damit die versicherte für eine unversicherte Tätigkeit unterbrach. Wie die Vorinstanz spielte für die Entscheidung des Gerichts der wahrscheinliche Suizid keine Rolle: Das Schwimmen eines Wasserwachtmitglieds ist nur versichert, wenn das Schwimmen nach der objektiven Handlungstendenz dem Unternehmen Wasserwacht wesentlich dient, insbesondere beim Einsatz zur Rettung von Personen. (Leitsatz der Entscheidung)

Weitere Informationen

Urteil und Pressebericht

Enzyklopädie