Bundesgerichtshof – 4 StR 503/13 – 6. Mai 2014
Aus der Betreuung eines Schulsanitätsdienstes (SSD) und einer Jugendgruppe kann sich eine Obhutsbeziehung ergeben. Dadurch können sexuelle Handlungen der SSD-Leitung bzw. Gruppenleitung mit einer jugendlichen Person zu einem strafbaren sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen werden, auch wenn die jugendliche Person 14 Jahre oder älter ist (keine Verletzung des absoluten Schutzalters) und in die Handlungen einwilligt.
Schulsanitätsdienst und Jugendrotkreuz
Ein ca. 1969 geborener Lehrer unterrichtete an einer Realschule seit 2000 Erdkunde und Sport. Darüber hinaus leitete er seit 2002 die Arbeitsgemeinschaft Schulsanitätsdienst für Schülerinnen und Schüler ab der 6. Klasse (11–12 Jahre alt). In seiner Freizeit engagierte der Lehrer sich darüber hinaus von 2003 oder 2004 bis Ende 2010 im Jugendrotkreuz (JRK), wo er eine Jugendgruppe und offenbar auch das JRK der betreffenden Gliederung (vermutlich Ortsverein oder Kreisverband) leitete.
Sexueller Missbrauch durch Lehrer
Seit 2008 nahm eine Schülerin am Schulsanitätsdienst teil und besuchte auch die außerschulischen Treffen der Jugendgruppe. Sie erkrankte 2009 bis 2010 aufgrund der Trennung ihrer Eltern psychisch. Der ca. 41–42 Jahre alte Lehrer, zu dem sie ein Vertrauensverhältnis entwickelt hatte, erkannte das und nutzte es aus, um sie in 2010 und 2011 wiederholt zu sexuellen Handlungen zu verleiten. Er war weder der Klassen- noch ein Fachlehrer der Schülerin, auch nicht vertretungsweise, sondern das Abhängigkeitsverhältnis entstand ausschließlich aus der Teilnahme der Schülerin am Schulsanitätsdienst und der Jugendgruppe.
Verurteilung des Lehrers
Das Landgericht Bochum verurteilte den geständigen Lehrer in 2011 wegen des sexuellen Missbrauchs vom Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) sah in 2012 das Abhängigkeitsverhältnis, auch ausdrücklich aus der Arbeitsgemeinschaft Schulsanitätsdienst und der JRK-Gruppe, nicht als erwiesen hat. Daraufhin verurteilte ihn das Landgericht in 2013 erneut, nunmehr zu einer geringeren Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine erneute Revision verwarf der BGH im 2014, so dass das Urteil rechtskräftig wurde. Der BGH sah schließlich als erwiesen an, dass Abhängigkeitsverhältnis durch den Schulsanitätsdienst bestanden habe und vom Lehrer ausgenutzt worden war.
Weitere Informationen
Urteile und Pressebericht
- Urteile-Gesetze.de, BGH 25.04.2012 - 4 StR 74/12. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen: Obhutsverhältnis bei Lehrer-Schüler-Beziehung
- Datenbank.NWB.de, Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen: Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem Lehrer und einem Schüler bei Teilnahme an einem Schulsanitätsdienst
- SPIEGEL.de, Affäre mit Schülerin. Strafe für Lehrer war laut BGH rechtens, 30. Juni 2014
Enzyklopädie
- Artikel Schulsanitätsdienst
- Artikel Jugendrotkreuz
- Artikel DRK-Standards zum Schutz vor sexualisierter Gewalt