Bundesarbeitsgericht – 1 ABR 60/01 – 12. November 2002

Nachschlagewerk über das Deutsche Rote Kreuz und die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung

Der Betriebsrat muss der Mitwirkung eines ehrenamtlichen Mitglieds im hauptamtlich betriebenen Rettungsdienst zustimmen, weil er im Geschäftbetrieb eingegliedert wird und der Tätigkeitsbereich kein Tendenzträger ist.

Ehrenamtlich im Hauptamt

Das Bundesarbeitsgericht entschied am 12. November 2002, dass der Einsatz einer im Deut­schen Roten Kreuz (DRK) ehren­amtlich tätige Person im hauptamtlich betriebenen Rettungsdienst der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Es begründete seine Entscheidung damit, dass nicht das Rechtsverhältnis der Person zur Gliederung, sondern die Eingliederung in den Geschäftsbetrieb maßgeblich sei. Im vorgelegten Fall war der "Ehrenamtliche" als bezahlte Aushilfskraft nach der Definition von Ehrenamt im DRK eigentlich dem Hauptamt zuzuordnen, arbeitsrechtlich und steuerlich jedoch kein Angestellter; für die Entscheidung spielte das aber keine Rolle.

Generischer Rettungsdienst

Das Urteil betrachtet auch die ideelle Stellung des Rettungsdienstes im DRK. Dieser Aspekt berührt Rotkreuz-Wissen, während der oben genannte Aspekt nur arbeitsrechtlicher Natur ist.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats gilt nicht für Bereiche einer Organisation, die unmittelbar und überwiegend […] karitativen […] Bestimmungen […] dienen, […] soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht.1 Solche Bereiche werden als Tendenzbetrieb bezeichnet, und der Betriebrat hat kein Recht, dort bei personellen Einzelmaßnahmen mitzuwirken. Das Gericht gesteht der betreffenden DRK-Gliederung zu, ein Tendenzbetrieb zu sein und schließt das für den Rettungsdienst nicht aus. Es kommt jedoch zur Überzeugung, dass das im Rettungsdienst eingesetzte Personal keine Möglichkeit einer inhaltlich prägenden Einflussnahme auf die Tendenzverwirklichung habe:

Es kann dahinstehen, ob der Rettungs- und Transportdienst des Arbeitgebers ein Tendenzbetrieb im Sinne dieser Vorschrift ist. Jedenfalls sind die auf den Krankenkraftwagen eingesetzten Mitglieder des Arbeitgebers keine Tendenzträger.

[…]

Tendenzträger ist ein Beschäftigter dann, wenn die Bestimmungen und Zwecke [des] Betriebs für seine Tätigkeit prägend sind […]. Dies setzt voraus, daß der Beschäftigte die Möglichkeit einer inhaltlich prägenden Einflußnahme auf die Tendenzverwirklichung hat. Tendenzträger ist dagegen nicht schon jeder, der bei der Verfolgung einer Tendenz mitwirkt […].2

Das im Rettungsdienst vom DRK eingesetzte Personal sind ganz überwiegend die Notfallsanitäter (vollwertige Berufsausbildung) und die Rettungssanitäter (berufliche Fortbildung), die Rettungswagen besetzen und damit Einsätze durchführen. Darüber hinaus gibt es noch Notärzte, Leitungskräfte, Auszubildende, Praktikanten und weitere Hilfskräfte. Keine dieser Personengruppen ist als Tendenzträger anzusehen, weil sie weisungsgebunden für einen funktionierenden Betrieb des Rettungsdienstes sorgen, ohne dabei Entscheidungen zum Beispiel auf Grundlage der Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung zu treffen. Damit ist der Rettungsdienst eine generische Dienstleistung, und es ist unerheblich, ob er von Beschäftigten des DRK oder einer anderen Organisation durchgeführt wird.

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