Die Waffen nieder!
Allgemeines

Der Roman Die Waffen nieder! der österreichischen Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin Bertha von Suttner (1843–1914) erschien 1889. Er hat mehrere Beziehungen zur Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung:
- So wie Henry Dunant (1828–1910) seine Erlebnisse bei der Schlacht von Solferino (1859) zum Ablass nahm, mit dem Werk Eine Erinnerung an Solferino (1862) das Humanitäre Völkerrecht und neutrale Hilfsorganisationen zu fordern, nimmt die Geschichte von Die Waffen nieder! ihren Ausgang im Sardinischen Krieg (1859), zu dem die Schlacht von Solferino gehörte.
- Im Roman wird, allerdings eher am Rande, die Organisation Rotes Kreuz erwähnt. Mehr geht der Roman auf die Wirkung der Genfer Abkommen ein und beschäftigt sich mit der Frage, ob die Verhinderung eines Konflikts nicht besser wäre als die Linderung des von ihm angerichteten humanitären Leids.
- Bertha von Suttner kannte das Lebenswerk von Dunant, setzte sich für die Schaffung des Friedensnobelpreises und auch dessen erste Verleihung an ihn ein.
Dunant und von Suttner waren einander nicht persönlich bekannt, standen jedoch in einem Briefwechsel miteinander. Beide waren Pazifisten. Sie erhielt 1905 ebenfalls den Friedensnobelpreis.
Auszüge das Rote Kreuz betreffend
Patriotischer Hilfsverein
Mein Weg führte mich durch die Herrengasse an dem Gebäude – das sogenannte Landhaus – vorbei wo der „patriotische Hilfsverein“ seine Büreaus untergebracht hatte. Damals gab es noch keine Genfer Konvention, kein „Rotes Kreuz“, und als Vorbote jener humanen Institutionen hatte sich dieser Hilfsverein gebildet, dessen Aufgabe es war, allerlei Spenden in Geld, Wäsche, Charpie, Verbandszeug u. s. w. für die armen Verwundeten in Empfang zu nehmen und nach dem Kriegsschauplatz zu befördern. Von allen Seiten kamen die Gaben reichlich geflossen; ganze Magazine mußten zur Aufnahme derselben dienen; und kaum waren die verschiedenen Vorräte verpackt und fortgeschickt, da türmten sich wieder neue auf.
Ich trat ein; es drängte mich, die Summe, die ich in meiner Geldbörse trug, dem Komitee zu überreichen. Vielleicht konnte dieselbe einem leidenden Soldaten Hilfe und Rettung bringen – und dessen Mutter vor Wahnsinn bewahren.1
Dunant und Rotes Kreuz
Ich aber seufzte und sagte nichts. Ich hatte andere Geschichten von Verwundungen vernommen, als die, wie sie mein Vater zu erzählen beliebte; – Geschichten, welche sich zu den gebräuchlichen Veteranenanekdoten verhalten ungefähr wie die Wirklichkeit elenden Hirtenlebens zu den Schäferbildchen von Watteau.
Das rote Kreuz … ich wußte, durch welches auf das schmerzlichste erschütterte Völkermitleid diese Institution ins Leben gerufen ward. Seiner Zeit hatte ich den darüber in Genf geführten Verhandlungen gefolgt und die Schrift Dunants, welche den Anstoß zu dem Ganzen gegeben, hatte ich gelesen. Ein herzzerreißender Jammerruf, diese Schrift! Der edle Genfer Patrizier war auf das Schlachtfeld von Solferino geeilt, um zu helfen, was er konnte; und das, was er dort gefunden, hat er der Welt erzählt. Zahllose Verwundete, welche fünf, sechs Tage liegen geblieben – ohne Hilfe … Alle hätte er retten mögen, doch was konnte er, der Einzelne, was konnten die Anderen, Wenigen diesem Massenelend gegenüber thun? Er sah solche, welchen durch einen Tropfen Wasser, durch einen Bissen Brot das Leben hätte erhalten werden können; er sah solche, die noch atmend, in fürchterlicher Eile begraben wurden … Dann sprach er aus, was schon oft erkannt worden, was aber jetzt erst Nachhall fand: daß die Verpflegs- und Rettungsmittel der Heeresverwaltung den Anforderungen einer Schlacht nicht mehr gewachsen seien. Und das „rote Kreuz“ ward geschaffen.1.1
Österreich und Genfer Abkommen
Österreich hatte sich der Genfer Convention damals noch nicht angeschlossen. Warum? … Warum wird allem Neuen, wenn es noch so segensreich und einfach ist, Widerstand entgegengesetzt? – Das Gesetz der Trägheit – die Gewalt des heiligen Schlendrians … „Die Idee ist recht schön, aber unausführbar“, hieß es da – auch meinen Vater hörte ich öfters jene, während der Konferenz von 1863 von verschiedenen Delegierten vorgebrachten Zweifelargumente wiederholen, – „unausführbar, und selbst, wenn ausführbar, so doch in mancher Hinsicht sehr unzukömmlich. Die Militärbehörden könnten Privatmitwirkung auf dem Schlachtfelde nicht angemessen finden. Im Kriege müssen die taktischen Zwecke der Menschenfreundlichkeit vorangehen – und wie könnte diese Privatmitwirkung mit genügenden Bürgschaften gegen das Spionenwesen umgeben werden? Und die Auslagen! Kostet der Krieg nicht ohnehin schon genug! Die freiwilligen Krankenwärter würden durch ihre eigenen stofflichen Bedürfnisse dem Proviantamt lästig fallen; oder, wenn sie sich in dem besetzten Lande auch selber verproviantieren, entsteht da nicht eine bedauerliche Konkurrenz für die Heeresverwaltung durch den Ankauf von für die Verwaltung notwendigen Gegenständen und die unmittelbare Erhöhung ihres Preises?“
O diese Behördenweisheit! – So trocken, so gelehrt, so sachlich, so klugheitstriefend und so – bodenlos dumm.1.2
Wirkung des Humanitären Völkerrechts
Ein anderes politisches Ereignis jener Tage war, daß sich Österreich nunmehr dem Genfer Vertrage anschloß:
„Nun – bist Du jetzt zufrieden?“ fragte mein Vater, als er diese Nachricht gelesen; – „siehst Du ein, daß der Krieg, den Du immer eine Barbarei nennst, mit der fortschreitenden Civilisation immer humaner wird? Ich bin ja auch für das menschliche Kriegführen: den Verwundeten gebührt die sorgfältigste Pflege und alle mögliche Erleichterung … Schon aus strategischen Gründen, welche schließlich in Kriegssachen doch das Wichtigste sind; durch eine gehörige Behandlung der Kranken können sehr viele in kurzer Zeit wieder kampffähig und in die Reihen zurück versetzt werden.“
„Du hast recht, Papa: wieder brauchbares Material – das ist die Hauptsache … Aber nach den Dingen, die ich gesehen, kann kein rotes Kreuz ausreichen – und hätte es zehnmal mehr Leute und Mittel, – um das Elend abzuwehren, welches eine Schlacht im Gefolge hat –“
„Abwehren freilich nicht, aber mildern. Was sich nicht verhüten läßt, muß man eben zu mildern trachten.“
„Die Erfahrung lehrt, daß eine ausreichende Milderung nicht möglich ist. Ich wollte daher, der Satz würde umgekehrt: Was sich nicht mildern läßt, soll man verhüten!“1.3
Weitere Informationen
Roman, Dunant und Pazifismus
- Bertha von Suttner, Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte, 29. Auflage, Dresden/Leipzig 1892 (Volltext des Romans)
- Barbara Schmid-Federer, Ihre Geschichten kennt kaum jemand: Diese Frauen machten Henry Dunant zum weltberühmten Humanisten, in: Aargauer Zeitung, 31. Oktober 2020
- Eveline Hasner, Verhindern statt mildern, in: Schweizer Monat, Ausgabe 943, April 2004
Enzyklopädie
- Artikel Schlacht von Solferino
- Artikel Eine Erinnerung an Solferino
- Artikel Humanitäres Völkerrecht
Einzelnachweise
- ↑ Bertha von Suttner, Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte, 29. Auflage, Dresden/Leipzig 1892, Band 1, Seiten 46–47.